Die digitale Energiewende und ihre Tücken
Die digitale Energiewende und ihre Tücken PNP-Bericht vom 22.01.2018
„BürgerEnergieStammtisch“ in Sittenberg zur Digitalisierung – Stromzähler müssen durch moderne Technik ersetzt werden
Theresia Wildfeuer. Die Digitalisierung der Energiewende bringt für die Verbraucher Vorteile, aber auch Nachteile. Das hat der „BürgerEnergieStammtisch“ beim Treffen im Gasthaus Billinger in Sittenberg aufgezeigt. Er informierte über das neue Messstellenbetriebsgesetz, das alle Abnehmer von Strom und Gas direkt betrifft sowie Wärme- und Wasserverbraucher indirekt betreffen wird.
Während Hans Zach, Betreiber des Ingenieurbüros „Volksspeicher GbR“ in Neuburg am Inn, hohe Kosten für die Bürger und Datenmissbrauch befürchtet, sah Josef Pauli, Geschäftsführer der Elektrizitäts-Versorgungs-Genossenschaft (EVG) Perlesreut eG, auch einen Mehrwert für Verbraucher, Erzeuger, Netzbetreiber und Lieferanten.
Auch Privathaushalte brauchen digitale Zähler
Das Messstellenbetriebsgesetz (MsBG) sieht für Unternehmen mit einem Stromverbrauch von mehr als 6000 kWh eine Umbauverpflichtung vor, Smart-Meter werden auch in privaten Haushalten und im Kleingewerbe vorschrieben. Das bereits seit Januar 2017 geltende MsBG betreffe alle Verbraucher, sagte Zach.
Unter dem Titel „Zukünftige Kosten für elektrische Energiemessung oder auch ,der Wahnsinn ist perfekt‘“ zeigte er auf, was das neue Gesetz für die Bürger bedeutet. Bis Ende 2032 müssten alle Messstellen auf digitale Zähler umgerüstet sein. Jährlich seien zehn Prozent der elektromechanischen, analogen Zähler durch elektronische zu ersetzen, durch eine moderne Messeinrichtung (mME) ohne Kommunikationseinheit und Internetanschluss oder ein intelligentes Messsystem (iMSys) mit einem Smart-Meter-Gateway, einer Kommunikationsschnittstelle mit automatischer Datenübertragung zum Messstellenbetreiber, bei dem die gespeicherten Werte jede Viertelstunde abrufbar sind. Einbau, Messung und Betrieb erfolge durch den „grundzuständigen Messstellenbetreiber“, den örtlichen Netzbetreiber oder einen vom Bürger frei wählbaren Messstellenbetreiber.
Das intelligente Messsystem liefere ständig Daten und ermögliche „jederzeit vollen Zugriff“, so dass die Menschen „gläsern“ würden, kritisierte Zach. Ziel des Gesetzes sei, im Zuge der Energiewende die Netze zu stabilisieren, antwortete er auf eine Zuhörerfrage. Auch Baubiologe Volkmar Hintze sah Datenschutzprobleme.
Ab 2018 müssten die Zähler von PV-Anlagen mit einer Leistung von einem bis sieben kWp und Endverbrauchsanlagen ab 6000 kWh ausgetauscht werden. Ob das moderne oder intelligente Messsystem installiert wird, entscheide der Messstellenbetreiber. Pflichtumbau auf Smart-Meter bestehe seit 2017 für PV-Anlagen mit mehr als sieben kWp und Endverbrauchsanlagen ab 10 000 kWh. Bürger mit einem Stromverbrauch von mehr als 6000 kWh müssten ab 2020 auf das intelligente Smartmetering umsteigen.
Die Umstellung nach dem Digitalisierungsgesetz erfordere zwei zusätzliche Messgeräte im Haushalt, einen intelligenten Stromzähler und ein Smart-Meter-Gateway, sagte Zach. Die Kosten für Einbau und Betrieb müssten Stromkunden und Betreiber von PV-Anlagen selbst tragen. Auch ein Internetanschluss sei notwendig. Intelligente Stromzähler würden je nach Verbrauch und erzeugter Energiemenge zwischen 30 und 200 Euro im Jahr kosten, die zusätzlich zur Stromrechnung zu zahlen sind. Hinzu kämen die Ausgaben für das Smart-Meter-Gateway. Zach riet, bei einem Verbrauch bis zu 6000 kWh statt des teureren intelligenten Messsystems nur eine moderne Messeinrichtung einbauen zu lassen. Messstellenbetreiber müssten den Einbau mindestens drei Monate vorher ankündigen und darauf hinweisen, dass die Kunden auch einen freien Messstellenbetreiber wählen können. Er befürchtete, dass die Betreiber auf das intelligente Messsystem drängen.
Für Josef Pauli überwogen dagegen die Vorteile. Unter dem Thema „Die Zukunft der Energie: Smart“ zeigte er auf, dass das von Bundesregierung und Netzagentur initiierte MsBG zur Energieeinsparung, Netzstabilität, besseren Bilanzierung und Steuerung der Stromverbräuche und Erzeugung notwendig sei, um Engpässe und Überproduktion zu vermeiden. Pauli räumte ein, dass die Akzeptanz des MsBG bei den Kunden angesichts der Mehrkosten zu wünschen übrig lasse. Es übten auch Verbraucherzentralen Kritik, da übermittelte Daten Einblick in das Verhalten der Verbraucher gäben.
Für kleinere Verbraucher reiche eine moderne Messeinrichtung, wodurch sich die Messmittelkosten um rund zehn Euro erhöhten. Auf die Frage, was die EVG Perlesreut, die als „grundzuständiger Messstellenbetreiber“ und Energieversorger fungiert, mit den Daten anstelle, antwortete Pauli, sie würden für Stromabrechnung, EEG-Vergütung und Steuerung des gezielten Stromeinkaufs genutzt. Der Energieversorger wisse dadurch, wie viel Energie viertelstündlich gebraucht wird und könne den Strom günstiger einkaufen. Intelligente Messsysteme seien nötig, um die Energiewende in den Griff zu bekommen.
In der Diskussion ging es noch mehr ins Detail, zum Beispiel um die Anzahl der Zähler bei mehreren PV-Anlagen, die Umrüstung bestehender Gaszähler oder gesundheitliche Risiken durch Funkbelastung, vor der Volkmar Hintze warnte. Lorenz Köpplmüller und Johannes Schmidt thematisierten die Gefahr, die durch den „Gateway-Administrator“ übermittelten Daten könnten in die Hände von „Geschäftemachern“ geraten.
Über die nächsten Vorhaben informierte Johannes Schmidt, Kreisvorsitzender der Katholischen Landvolkbewegung (KLB), die den „BürgerEnergieStammtisch“ mit KEB, Bund Naturschutz, Fachlexika-Service Käser, Energievision Pauli, Klimaschutzbeauftragten Peter Ranzinger vom Landkreis Passau und Energiemanager Matthias Obermeier der ILE „Ilzer Land“ und ILE „Passauer Oberland“ trägt.
Energie-Veranstaltungen im nächsten Halbjahr
Der „BürgerEnergieStammtisch“ lädt am Donnerstag, 15. Februar, zur Eröffnung der „Aktion Klimafasten“ unter dem Titel „Klimaschutz im Selbstversuch“ um 19 Uhr ins spectrum Kirche in Passau ein. Am 13. März informiert Michael Köck, Firma Fenecon, über „Energiespeicher für die Energiewende“. Am 17. April klingt das „Klimafasten“ mit „95 Thesen für Kopf und Bauch“ von Slow Food und Misereor im Biowirtshaus „Zum Fliegerbauer“ am Stelzlhof in Passau und Barbara Schmidt, Leiterin von Misereor Bayern, aus. Vom 24. April bis 15. Mai laden Haus am Strom, BESt und BN zur Ausstellung Klimafaktor Mensch ein. Der Eröffnungsvortrag mit Biologin Helgard Reichold-Riehm über „Brasilien zwischen Soja und Naturschutz – Wie wir in Deutschland/Europa den Regenwald mit abholzen“ findet am 27. April um 19 Uhr statt. Am 8. Mai informiert Erich Käser beim BESt über Energiespeichern. Am 9. Juni gibt es eine Fahrt zum Biohof von Markus Bogner am Tegernsee und zur „Woche der Sonnenenergie“, vom 17. bis 24. Mai eine Dorfmesse.
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